Mystik, Küsten und Geschichte

Juni 2018 - Nord-Irland

Ein Bericht von Oliver Gartmann

Kurz-Reise durch Nordirland

Ausser einer kleinen, unscheinbaren Tafel am Strassenrand der M1 deutet nichts auf die Grenzüberschreitung zwischen Irland und dem britischen Teil der Insel, Nord-Irland, hin. Nördlich von Dundalk findet man sich aber plötzlich in kleinen, anschaulichen Dörfchen wieder, in deren mit grösster Sorgfalt gepflegten Vorgärten der Union Jack weht. Die Euros, welche man in Dublin am Flughafen noch bezogen hat, sind hier beinahe nirgends mehr brauchbar. Hier sind die Preise in Pfund Stirling angeschrieben und die Geschwindigkeitsbegrenzungen wechseln von Kmh auf Mph.

Die Fahrt führt uns weiter auf der N1, entlang von grünen Feldern, und ländlichen Siedlungen in richtung Belfast, der Hauptstadt des Landes. Das Citylimit erreicht man im Schritttempo in einem für eine Stadt üblichen Verkehrsstaus. Die majestätischen Spitzendächer verschiedener Kirchen ragen in den blauen Himmel. Es riecht nach Meer und der Gesang der Seemöven bestätigt die Nähe zum Atlantik. Die Innenstadt ist erstaunlich ruhig und macht einen gemütlichen Eindruck. Verschiedene Wandmalereien von teilweise gigantischen Ausmassen zeugen von den jahrelangen Konflikten zwischen Protestanten und Katholiken.

Wir beziehen unser Zimmer in der Hafenregion von Belfast, welche vor allem aus geschichtlicher Hinsicht äusserst interessant ist. Hier, aus den nun teilweise stillgelegten Doks, wurde der Luxus-Liner Titanic der White Star Cruiselines 1912 vom Stapel gelassen. Zum Andenken an die darauf gefolgte Tragödie wurde hier ein spektakuläres Gebäude errichtet, dass mit seinen geradlinigen Aussenkanten an den Bug der Titanic erinnern soll und heute ein Museum für alle Fans und Interessierte beherbergt. Für jeden Schiffs-Fanatiker ein absolutes Muss!

Entlang der Hafenpromenade gelangen wir zu Fuss in die gemütliche Innenstadt Belfasts. Die Stadt hat britisches Flair, dennoch spürt man den irischen Einfluss an vielen Orten. Die Sonne scheint hier im Juni nicht untergehen zu wollen und so sitzt man bei einem Pint gemütlich auf den provisorisch installierten Holzbänken vor den Pubs und geniesst. Stolz ragt die Spitze des Albert Memorial Clock Tower in die Höhe. Seine massiv zur Seite geneigte Bauweise erinnert sofort an den schiefen Turm von Pisa.

Uns zieht es in die nordirische Natur und so führt die Reise weiter gegen Norden. Wir geniessen die grandiose Ostküste des Landes und können aufgrund der guten Weitsicht sogar die Silhouetten der inneren Hebriden von Schottland ausmachen. Natürlich darf ein Besuch der Dark Hedges nicht fehlen, deren mystische Allee zumindest jedem Game of Thrones-Fan ein Begriff sein sollte.

Die Nordküste Nordirlands steht nun im Mittelpunkt unseres Interesses und wir werden nicht enttäuscht. Eine wilde, ehrliche und fantastische Natur trifft man hier an, bei der man das Gefühl nicht los wird, dass hier die Welt noch in Ordnung ist. Es ist selbstverständlich auch hier so, dass die Highlights bereits auch schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht haben und so trifft man immer wieder auf Reisecars und grössere Menschenansammlungen. Dies hält uns aber nicht davon ab, Perlen wie Carrick-a-rede oder den Giants Causeway zu besuchen. Hier kann nach Herzenslust gewandert werden und man bekommt spannende Einblicke in die Kraft der Natur, wenn man sich mit der Entstehung der Lavasäulen des Causeways befasst.

Dominant zeigen sich die Ruinen des Dunluce Castles, welches mit seiner exponierten Lage direkt über dem Meer ein magnetischer Anzugspunkt bei allen Reisenden Nordirlands darstellt.

Und dann erstaunt uns einmal mehr die Vielfalt der Insel. Direkt hinter satt grünen Weiden und weichen Hügelkuppen, welche von riesigen Schafherden besiedelt sind, erstrecken sich Strände von unvorstellbarer Grösse. Aufgrund der im Juni noch recht moderaten Temperaturen von ca. 15-20 Grad kommt aber noch hinzu, dass man diese Naturparadiese beinahe für sich alleine hat. Man hat hier fast das Gefühl, auf Sylt zu sein, allerdings einfach ohne Touristen. Entlang des Benone Beaches gelangen wir an den nordwestlichsten Punkt Nordirlands, zum Magiligan Point. Hier nehmen wir eine Fähre, welche uns auf einer rund 15 minütigen Fahrt nach Greencastle bringt. Wir sind wieder in Irland.

Via Londonderry und Letterkenny gelangen wir in die Küstenregion von Ardara und Glenties. Unser Ziel ist der Maghera Beach. Die Bilder, die wir zuvor davon gesehen haben, vermögen die wahre Pracht dieses Ortes nicht wiederzugeben. Wir wandern durch die mit Schilf bewachsenen Dünen, geniessen Ausblicke auf riesige Austernfelder im seichten Wasser und gelangen anschliessend in die riesengrosse Bucht des Maghera Beaches. Ein kitschig schöner Wasserfall plätschert über die rauhen Felsen und moosbewachsenen Wände in einen dunklen Teich, weiter hinten können Felshölen besucht werden. Ein Ort, bei dem man richtig Ruhe und Energie tanken kann.

Der Abend lassen wir bei einem deftigen, irischen Nachtessen in Ardara und einem anschliessenden Pint Guinness in einem nur von Locals besuchten Pub mit traditioneller, irischer Live-Musik ausklingen.

Unsere Reise führt uns weiter, quer durch den Norden Irlands, zurück nach Dublin. Hier pulsiert das Leben wieder und die ruhige, fast unecht anmutende Schönheit der nordirischen Naturlandschaften werden hier von quirligem Stadtleben, Multikultur und viel Musik übertüncht. Ein guter Abschluss einer jeden Irland-Reise besteht natürlich darin, einen Abend lang das Geschehen in einem Pub mitzuverfolgen und sich den Klängen von Geige, Flöte und Banjo hinzugeben. Irland, immer wieder ein Besuch wert!