Aurora Borealis und Orcas

mars 2019 - Island

in rapport da Oliver Gartmann

Im vergangenen Jahr reiste ich nach einigen Sommerreisen zum ersten Mal im Winter nach Island. Die Schönheit und das in den kalten Jahreszeiten noch rauhere Klima auf der Insel im Nordatlantik hat mich vom ersten Moment an gefesselt und für mich war dann schon klar, dass dies nicht die letzte Winterreise sein würde.

So startete ich mitte März dieses Jahres mein zweites Abenteuer ins winterliche Island, natürlich mit grossen Erwartungen und gespannt, was das Wetter dieses mal für Kapriolen schlägt.

Die Sonne geht über den West-Fjorden auf, als unsere Maschine das Fahrwerk auf der gefroreren Piste von Keflavik aufsetzt. Trotz eisiger Kälte wird mir bereits wieder warm ums Herz, als wenig später das Flughafengebäude verlassen und und unseren Mietwagen fassen. Es fühlt sich mittlerweile an wie "nach Hause kommen".

Nach einem ersten Stopp in Reykjavik und einem kurzen Bummel entlang der Laugavegur führt uns unser Weg diesmal nordwärts. In der Region von Borgarnes haben wir unser erstes "Lager" geplant und hoffen, mit einem so lang schon ersehnten Nordlicht begrüsst zu werden. Am schwarzen Strand, welcher aufgrund der Ebbe nun diverse Muscheln und arktische Algen freigibt, glitzern die Eisreste der gefrorenen Brandung von letzter Nacht. Der Himmel verdunkelt sich leider nicht nur aufgrund der Dämmerung, sondern eben auch durch die aufziehende Wolkendecke, welche eine Aurora-Sichtung unmöglich macht.

Eisiger Wind weht. Wir brechen nach einem Hering-Frühstück auf und halten richtung Nordwesten. Über den Erhebungen von Snaefellsness Peninsula schimmert blauer Himmel, der aber immer wieder von schnell vorbeiziehenden Wetterfronten verdeckt wird. Immerhin, das Grau-in-Grau von gestern Abend ist verflogen. "Velkomin à Snaefellsnes" steht auf der Tafel am rechten Strassenrand und wir tauchen zum ersten Mal ein ins winterliche Island-Miniatür. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, was für ein grosser Tag uns bevorsteht. Wir überqueren den ersten Pass via Vatnaleid 56 und werden mit grossartigem Wetter belohnt. Die Luft ist eisig kalt und glasklar. Unter uns erstreckt sich der Baulavallarvatn, die davorliegenden hellgrün schimmernden Lavafelder und die roten Hänge der umliegenden Vulkankegel. Wir erreichen Grundarfjördur mit seinem Postkarten-Hausberg Kirkjufell. Seine im Sommer mit leuchtend grünen Moosen und Flechten durchsetzten Lavahänge erstrahlen heute in gleissend weisser Schneepracht. Seine charakteristische Spitze spiegelt sich in der glatten, ruhigen Wasseroberfläche der davorliegenden Lagune. Vorbei an unzähligen Wasserfällen, von denen sich die meisten in winterlicher Schockstarre befinden, gelangen wir nach Olafsvik.

Der beissende Geruch von getrocknetem Fisch liegt in der Luft, als wir das Hafenareal und das Boot betreten, welches uns nun in den Breidafjord rausbringen wird. Möven lassen sich von den bisigen Windboen an uns vorbeitragen. Dann plötzlich werden die Motoren gedrosselt. Direkt vor uns findet ein unvergessliches Schauspiel statt. Das ohrenbetäubene Gekreische der Möven wird in regelmässigen Abständen durch lautes, kraftvolles Pusten unterbrochen. Eine grosse Gruppe Schwertwale tümmelt sich am Bug des Schiffes. Immer wieder tauchen die schimmernd weissen Wangen dieser Predatoren aus dem eisig kalten Wasser auf, die Kälber immer im nahen Körperkontakt mit Ihren Müttern. Der grosse Bulle mit seiner senkrecht emporstehenden Rückenflosse hält die Gruppe beisammen und kontrolliert das Geschehen. Dann plötzlich, wie auf ein für uns nicht erkennbares Signalzeichen, tauchen die Wale ab und verschwinden.

Mit diesen tollen Eindrücken umrunden wir am späteren Nachmittag die Snaefellsness-Halbinsel. Der Snaefellsjökull ragt in den noch immer stahlblauen Himmel und entlang seines Kraters ziehen blitzschnelle Schneeverwehungen vorbei. Wir erreichen Arnarstapi und beziehen unsere Unterkunft. Wir können es kaum erwarten, dass die Nacht hereinbricht, denn heute könnte DIE Nacht werden.. so zumindest verspricht es uns der Aurora-Forecast. Aber wer sich erhofft, die Lichter immer dann zu sehen, wenn die Bedingungen günstig sind, irrt sich. Das bedeutete auch für uns warten, warten, warten. Nach einigen Stunden in eisiger Kälte ausharrend lichten sich die Wolkenfelder plötzlich. Ein klarer Sternenhimmel präsentiert sich über Islands äusserstem Westen. Allein schon dieser Anblick ist wunderschön. Dann beginnt ein zunächst wie ein Wolkenfetzen anmutender Streifen am Himmel seine Farbe zu ändern. Sekunden später tanzen Lichtsäulen in leuchtendem Grün und Lila über unsere Köpfe. Hier ist es nun, das Naturschauspiel, das uns primär im Winter in den Norden zieht. Zum ersten Mal werden wir Zeugen dieses Phänomens, das mit nichts anderem vergleichbar ist.

Die weiteren Tage verbringen wir ebenfalls im Westen und Nordwesten des Landes. Aufgrund der immer schlechteren Prognosen sind wir dazu angehalten, das Tagesprogramm jeweils etwas anzupassen und lassen es uns in den unzähligen heissen Geothermal-Quellen gut gehen.

Wer schon mal in Island war, weiss, dass da nichts so unberechenbar ist wie das Wetter. Ein Wetterbericht kann und darf nur mit Vorsicht genossen werden. Wir parkieren unser Fahrzeug beim Grossen Geysir und wie von Geisterhand werdne die dicken, schwarzen und tief hängenden Wolken weggezogen, die letzen Flocken fallen und dann schiebt sich die warme Abendsonne davor. Der heisse Dampf des Geysirs beschlägt mein Objektiv, als er mit mächtigem Getöse seine kochend heissen Wassermassen in die Höhe schiesst. Es vergeht eine gute halbe Stunde. Wir sitzen bereits wieder im Auto, als Hagel einsetzt. Vor uns erstrahlt der Himmel noch blau, über uns leuchtet er Gelb. Der Hagel wird von quer strömendem Regen abgelöst, bevor etwas weiter vorne der Schnee einsetzt. Man glaubt nicht, wie rasant das Wetter hier ändert, erlebt man es nicht selbst.

Unsere letzte Nacht verbringen wir im Julia's Guesthouse, nahe Selfoss. Die gebürtige Bündnerin lebt seit 10 Jahren in Island und führt ihr eigenes Guesthouse. Mit viel Charme, Authentizität und liebevoller Gestaltung empfängt Sie Gäste aus aller Welt und vermag mit Ihrer herzlichen Art und der einzigartigen Lage ihres Guesthouses das unverfälschte Island-Erlebnis zu vermitteln.

Eine weitere Reise geht zu Ende. Aber wie jedes Mal wissen wir, dass es eine Frage der Zeit ist, bis wir wieder hierher kommen.